Politisch motivierte Kriminalität (PMK) aus dem linken Spektrum

Zusammenfassung

  • Straftaten, die aus einer politischen Motivation heraus begangen werden, werden von der Polizei als Politisch motivierte Kriminalität (PMK) im Kriminalpolizeilichen Meldedienst PMK gesondert erfasst. Bei der Zuordnung wird zwischen verschiedenen Phänomenbereichen differenziert.
  • Der Politisch motivierten Kriminalität – links – werden Straftaten zugeordnet, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie einer „linken“ Orientierung zuzurechnen sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn Bezüge zu Anarchismus oder Kommunismus ursächlich für die Tatbegehung waren.
  • Das Längsschnittdesign der Erfassung ermöglicht Erkenntnisse über Entwicklung und regionale Muster der PMK. Politisch linksmotivierte Kriminalität tritt dabei vornehmlich in den Stadtstaaten auf und ist oft an Ereignisse im Themenfeld Gentrifizierung oder an singuläre Protestgeschehnisse gekoppelt.
  • Die PMK stellt kein realistisches Abbild sozialer Wirklichkeit dar. Die Erfassung unterliegt Einschränkungen und Verzerrungseffekten, die es bei der Betrachtung der Statistik zu reflektieren gilt.

Was ist eine Kriminalstatistik?

Kriminalstatistiken sind Massenstatistiken, in denen über längere Zeiträume hinweg die staatliche Strafverfolgungstätigkeit erfasst wird. Es handelt sich dabei um Tabellenwerke, in denen delinquente Handlungen sowie Angaben zu Tätern, Opfern, verursachten Schäden, behördlichen Reaktionen und deren Wirkung quantitativ erfasst werden. Ihr wesentlicher Zweck liegt in der Bereitstellung von Informationen über die Veränderung und Struktur von Kriminalität und einzelner Deliktsarten sowie die Ausübung institutioneller Kriminalitätskontrolle und deren Wirksamkeit. Derartige Erkenntnisse werden (von Behörden) insbesondere zur Erreichung präventiver, aber auch repressiver Ziele genutzt. Ebenso lassen sie Aussagen über die Arbeit von Polizei, Staatsanwaltschaft, Gericht, Bewährungshilfe und Strafvollzugsbehörden zu und ermöglichen Einsicht in die Erreichung gesetzgeberischer Ziele. Weiterhin stellen sie Informationen für kriminalpolitische Entscheidungen der Exekutive und des Gesetzgebers zur Verfügung. Durch die regelmäßige (Teil-)Veröffentlichung der amtlichen Kriminalitätsstatistiken wird die Allgemeinheit über Ausmaß und Entwicklung der Kriminalität unterrichtet. Darüber hinaus gelten die von den Behörden gesammelten Daten als ein „unentbehrliches Hilfsmittel“ für die kriminologisch-soziologische Forschung.[1]

In der Bundesrepublik Deutschland gibt es heute eine Reihe von amtlichen Statistiken, in denen die Ergebnisse staatlicher Strafverfolgung auf verschiedenen Verfahrensebenen erfasst werden. Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) ist von den Justizstatistiken der Staatsanwalt, des Strafvollzugs, der Bewährungshilfe usw. zu unterschieden. In der PKS werden aufgeklärte strafrechtliche Sachverhalte sowie die im Zuge der Aufklärung polizeilich ermittelten Tatverdächtigen erfasst. Seit 1953 wird die PKS in einem jährlichen Turnus durch das Bundeskriminalamt veröffentlicht. Die Datensammlung basiert dabei auf den Informationen, die dem Bundeskriminalamt (BKA) von den Landeskriminalämtern (LKÄ) und diesen wiederum von den einzelnen Polizeidienststellen zur Verfügung gestellt werden. Für die Erfassung durch die Polizeidienststellen von Bund und Ländern sind die bundeseinheitlichen „Richtlinien für die Führung der Polizeilichen Kriminalstatistik“ verbindlich. Als Zentralstelle ist das BKA zuständig für die Erstellung strategischer und operativer kriminalpolizeilicher Analysen und Statistiken sowie für die Beobachtung und Auswertung von Veränderungen und Entwicklungen des Kriminalitätsaufkommens und einzelner Deliktbereiche.[2] In den Ausführungen des BKA zur Zielstellung der PKS heißt es außerdem, die Datensammlung diene dem Zweck der „Erlangung von Erkenntnissen für die vorbeugende und verfolgende Verbrechensbekämpfung, [der] organisatorischen Planungen und Entscheidungen sowie [der] kriminologisch-soziologischen Forschungen und kriminalpolitischen Maßnahmen“.[3] In keiner der amtlichen Strafrechtspflegestatistiken werden Daten derart ausdifferenziert erfasst wie in der PKS. Zentraler Erfassungsgegenstand der PKS sind alle Verbrechen und Vergehen gegen die Strafgesetze der Bundesrepublik Deutschland – ausgenommen der Verkehrsdelikte sowie der politisch motivierten Kriminalität.[4]

Geschichte und Wandel des KPMD-PMK

Straftaten, für deren Begehung eine politische Motivation ursächlich ist, werden im Kriminalpolizeilichen Meldedienst Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) erfasst. Diese löste 2001 die bis dahin bestehende parallele Erfassungspraxis von Staatsschutzdelikten im Kriminalpolizeilichen Meldedienst Staatsschutz (KPMD-S) sowie in der Polizeilichen Kriminalstatistik Staatsschutz (PKS-S) ab. In diesen wurden ausschließlich Staatsschutzdelikte erfasst, also Straftaten, die sich gegen den Bestand oder die verfassungsmäßige Ordnung des Staates richteten.[5] Zentrales Erfassungskriterium war die „extremistische Motivation hinter der jeweiligen Tat“, zentraler Zweck der „Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung (fdGO) vor extremistischen Kräften, die am Rande der Gesellschaft verortet wurden.“[6]

Die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren des Bundes und der Länder beschloss 2001 eine grundlegende Reform der parallelen Erfassungssysteme. Als mangelhaft und damit reformbedürftig wurde insbesondere die auf die Merkmale des Extremismus und der Systemüberwindung fokussierende Erfassung identifiziert. Zum einem berücksichtigte dieser keine Delikte unterhalb der Schwelle der Systemüberwindungsabsicht: So konstatierte der damalige BKA-Vizepräsident Bernd Falk: „Gemessen an der einschlägigen Extremismusdefinition fehlt es in vielen Fällen nämlich an Anhaltspunkten für Bestrebungen zur Systemüberwindung.“[7]. Zum anderen ignorierte die frühere Erfassungsweise, dass bestimmte Einstellungen hinter den Taten nicht nur am Rande der Gesellschaft zur verorten sind, was Falk ebenfalls kritisierte: „Die heutige Ausrichtung der Straftatenerfassung im KPMD-S am Extremismusbegriff und ihre Ergebnisse entspricht nicht (mehr) den Bedürfnissen der Polizei und der Abnehmer ihrer Lagebilder an eine vollständige differenzierte und aktuelle Lagebeschreibung. […] Antisemitische bzw. fremdenfeindliche Einstellungen sind gerade unter Rechtsextremisten, aber nicht nur unter ihnen, sondern in Teilen der systemtreuen Bevölkerung verbreitet.“[8] Als weitere Schwachstelle wurde die uneinheitliche Erfassungspraxis und die damit einhergehende unzureichende Vergleichbarkeit der Daten sowohl innerhalb der einzelnen Bundesländer als auch in der Gesamtstatistik auf Bundesebene identifiziert.[9]

Die Einführung des neuen Meldesystems KPMD-PMK Anfang der 2000er Jahre erfolgte somit in expliziter „Loslösung von der bis dahin dominierenden Orientierung am Extremismusbegriff hin zu einem Definitionssystem, welches das tatauslösende politische Element in dem Mittelpunkt stellt.“[10] Zentrales Erfassungskriterium ist seither die politisch motivierte Tat – unabhängig vom Merkmal der Systemüberwindungsabsicht. Der KPMD-PMK soll damit eine einheitliche und systematische Erhebung der gesamten Daten zur Politisch motivierten Kriminalität im Bundesgebiet und Ausland gewährleisten, sofern hierzu in Deutschland ein Ermittlungsverfahren anhängig ist. Außerdem soll er eine verlässliche Datenbasis für statistische Analysen bereitstellen und damit als Grundlage für Führungs- und kriminalpolitische Entscheidungen sowie die kriminologisch-soziologische Forschung dienen. Gewonnene Erkenntnisse werden von Behörden insbesondere zu präventiven und repressiven Zwecken genutzt. Hierzu erfolgt im KPMD-PMK eine differenzierte, mehrdimensionale Erfassung von Tat-, Täter- und Opfermerkmalen.[11]

Erfassungsmodalitäten im KPMD-PMK

Welche Delikte aber finden nun genau Eingang in die PMK-Statistik? Als politisch motiviert wird eine Tat insbesondere dann erfasst, wenn ihre Umstände oder die Einstellung ihres Täters darauf schließen lassen, dass sie sich gegen eine Person aufgrund ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft, sexuelle Orientierung, Behinderung oder ihres äußeren Erscheinungsbildes bzw. ihres gesellschaftlichen Status richtet.[12] Außerdem erfolgt eine Zuordnung von Straftaten zur PMK, „wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie

  • den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten,
  • sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben,
  • durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden“.[13]

Die Richtlinien für den „Kriminalpolizeilichen Meldedienst – Politisch motivierte Kriminalität“ sind für alle Bundesländer verbindlich. Sofern es sich nicht um ein „echtes Staatsschutzdelikt“ handelt, obliegt die Prüfung der politischen Motivation hinter der jeweiligen Tat zunächst den mit dem Vorgang befassten Polizeibeamten.[14] Stellen diese Anhaltspunkte für eine politische Motivlage im Sinne der oben genannten Definition fest, muss der Sachverhalt in der Kategorie PMK erfasst werden. „In der Praxis entscheiden die Beamten vor allem anhand des Eindrucks, den sie bei der Erfassung des Vorgangs gewinnen. Dabei spielen regelmäßig die äußeren Tatumstände eine dominante Rolle.“, wie Habermann und Singelnstein betonen.[15] Handlungsleitend für das Erkennen politisch motivierter Beweggründe ist die bundesweit einheitliche Richtlinie namens „Kriminaltaktische Anfrage in Fällen politisch motivierter Kriminalität“ (KTA-PMK). Demnach sollen die erfassten Sachverhalte auf mehrdimensionale Weise hinsichtlich der Komplexe Deliktsqualität, Themenfelder, Phänomenbereiche und extremistische Ausprägung betrachtet werden.[16]

Bei der Feststellung der Qualität des Delikts wird zwischen Propagandadelikten, politisch motivierten Taten ohne Propagandadelikte, politisch motivierter Gewaltkriminalität und Terrorismus unterschieden. Neben der Einordnung der Taten nach Deliktsqualität differenziert der Kriminalpolizeiliche Meldedienst die Straftatsachverhalte nach politischer Motivlage hinter der Tat bzw. nach politischer Einstellung des Täters. Dementsprechend werden die Sachverhalte den jeweiligen Phänomenbereichen „Politisch motivierte Kriminalität – rechts“ (PMK-rechts), „Politisch motivierte Kriminalität – links“ (PMK-links), „Politisch motivierte Kriminalität – religiöse Ideologie“ (PMK-Religiöse Ideologie) oder der „Politisch motivierten Ausländerkriminalität“ (PMAK) zugeordnet. Unter „PMK-nicht zuzuordnen“ werden diejenigen Delikte erfasst, die nach Würdigung der Umstände der Tat oder des Täters den genannten Phänomenbereichen nicht eindeutig zugeordnet werde können.[17] Die phänomenologische Zuordnung einer politisch motivierten Tat erfolgt erst nach der Zuordnung zu sogenannten Themenfeldern, die der genauen Beschreibung von Zielrichtung bzw. Motivlage politisch motivierter Taten, Täter und Tatumstände dienlich sein soll.[18] Die Zuordnung zu den Themen- und häufig auch zu Unterthemenfeldern folgt dem bundeseinheitlich vereinbarten Themenfeldkatalog PMK. Dieser unterliegt vor „[…] dem Hintergrund sich verändernder Lebensumstände und Lageentwicklungen […] einer ständigen Überprüfung und Weiterentwicklung“ durch eine Bund-Länder-Gruppe.[19] Aktuell besteht der Katalog aus 26 sogenannten Ober- und 132 Unterthemenfeldern sowie einem politischen Kalender, der ebenfalls als Oberthemenfeld aufgeführt wird und bspw. Daten wie den Tag der Arbeit und den internationalen Frauentag als Unterthemenfelder listet. Weitere Oberthemenfelder beziehen sich auf die Kategorien Anarchismus, Antifaschismus, Antiimperialismus, Konfrontation / politische Einstellung, Hasskriminalität uvm.[20]

Fallzahlenerhebung im KPMD-PMK

Der Meldeweg der skizzierten Erfassung beginnt bei der bearbeitenden örtlichen Polizeidienststelle. Es folgt die Weiterleitung an die Staatsschutzdienststellen und jeweiligen Landeskriminalämter, denen die Kontrolle der einheitlichen Anwendung der Definitionen und Erfassungskriterien obliegt. Nach Prüfung und ggf. Vervollständigung erfolgt die Weitergabe an das Bundeskriminalamt, wo die Daten zu Auswertungszwecken vorgehalten werden.[21]

Um eine ganzheitliche Lagedarstellung und Beobachtung im Bereich PMK gewährleisten zu können, führen Bund und Länder sog. Fallzahlenübersichten, in denen die im Rahmen des KPMD-PMK gemachten Meldungen nach der Tatzeit erfasst werden.[22] Anders als die PKS, die als sogenannte Ausgangstatistik geführt wird, handelt es sich bei der Statistik der PMK um eine Eingangsstatistik. Dies bedeutet: Während die statistische Erfassung der Fälle und Tatverdächtigen in der PKS erst nach Abschluss des polizeilichen Ermittlungsverfahrens mit Abgabe des Vorgangs an die Strafverfolgungsbehörde oder das Gericht erfolgt, liegt der maßgebende Zeitpunkt für die statistische Erfassung der PMK unmittelbar nach Bekanntwerden der Tat und damit zu Beginn des Ermittlungsverfahrens.[23] Demnach handelt es sich bei den Fallzahlen PMK um eine Zusammenstellung aller der Polizei bekannt gewordenen, politisch motivierten Straftaten, bei denen in Tateinheit[24] und natürlicher Handlungseinheit[25] begangene Straftaten als ein Fall erfasst werden. Bei der Verwirklichung mehrerer „Straftatbestände unterschiedlicher Deliktsqualität“ durch eine Tathandlung, wird der Straftatbestand erfasst, der die höchste Deliktsqualität aufweist.[26] Das BKA fasst die eigenen Falldaten sowie die der LKÄ zum Lagebild PMK der Bundesrepublik Deutschland zusammen. Stichtag für die Erfassung der Fallzahlen des Jahresberichtszeitraumes ist der 31.01. des Folgejahres.[27]

Politisch linksmotivierte Kriminalität im polizeilichen Hellfeld der Bundesrepublik

Die Darstellung der jährlich veröffentlichten bundesweiten Fallzahlen folgt weitgehend der Logik der oben genannten Erfassungsmodalitäten aus Deliktsqualität, Phänomenbereich, Themenfeld und extremistischer Ausprägung. Entsprechend erfolgt eine nach Phänomenbereichen differenzierte Ausweisung der bundesweiten Fallzahlen PMK-links, PMK-rechts, PMK-religiöse Ideologie, PMK-ausländische Ideologie und PMK-nicht zuzuordnen.

Im Rahmen des KPMD-PMK wird eine Tat aufgrund der politischen Motivation der Täter dann dem Phänomenbereich PMK-links zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat bzw. der Einstellung des Täters Anhaltspunkte für eine linke Orientierung vorliegen, ohne dass die Tat bereits auf die Außerkraftsetzung oder Abschaffung eines Elementes der freiheitlich demokratischen Grundordnung abzielen muss. Weiterhin werden Taten dem Phänomenbereich PMK-links vor allem dann zugerechnet, „wenn Bezüge zu Anarchismus oder Kommunismus (einschließlich revolutionärem Marxismus) ganz oder teilweise ursächlich für die Tatbegehung waren“.[28] Laut Definitionssystem PMK seien die letztgenannten Taten in der Regel als linksextremistisch zu qualifizieren.[29] Die Feststellung eines extremistischen Hintergrundes orientiert sich dabei am Extremismusbegriff der Verfassungsschutzgesetze des Bundes und der Länder, der Straftaten als extremistisch qualifiziert, sofern tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind.[30]

Nachfolgend werden polizeiliche Statistiken zur Politisch motivierten Kriminalität – links im Bundesgebiet und den einzelnen Bundesländern betrachtet. Abbildung 1 stellt dabei zunächst die Entwicklung aller als politisch linksmotiviert registrierten Straft- und Gewalttaten im Zeitvergleich seit Einführung des damals neuen Erfassungssystems KPMD-PMK im Jahr 2001 dar. Die gemittelten linksmotivierten Straftaten von 2010 bis 2019 ergeben eine bundesweite Pro-Kopf-Belastung von 10,4 Delikten aus dem linken Spektrum je 100.000 Einwohner.[31] Nach dem starken Anstieg im ersten Jahrzehnt sowie marginaler jährlicher Schwankungen im zweiten Jahrzehnt verändert sich die Straftatenbelastung durch linksmotivierte Kriminalität in der letztgenannten Dekade kaum. In der Tendenz lässt sich ein Anstieg (durchschnittlich 0,63 Straftaten je 100.000 Einwohner mehr pro Jahr) in den 2010er Jahren feststellen.[32]

Abbildung 1 Entwicklung politisch motivierter Straftaten gesamt und Gewalt von 2001 bis 2022 in der Bundesrepublik Deutschland[33]

Mit 10.971 registrierten Straftaten befand sich die politisch motivierte Kriminalität aus dem linken Spektrum im Jahr 2020 auf dem Höchststand seit Einführung des Erfassungssystems KPMD-PMK. Im Vergleich zu den Vorjahren 2020 und 2021 ergab sich mit 6.976 Delikten im aktuellen Berichtsjahr (2022) jedoch eine deutlich niedrigere Straftatenbelastung durch linksmotivierte Kriminalität; die Anzahl der Delikte sank um rund 31 Prozent. Insgesamt macht die als politisch linksmotiviert registrierte Kriminalität knapp 12 Prozent des Gesamtaufkommens an politisch motivierter Kriminalität im Jahr 2022 aus. Tabelle 1 zeigt, auf welche Hauptdeliktsfelder sich das Gesamtstraftatenaufkommen aus dem linken Spektrum im Berichtsjahr 2022 verteilt:[34] Mit 3.545 erfassten Fällen bilden Sachbeschädigungen – mit rund 51 Prozent des Gesamtaufkommens – einen Großteil der politisch linksmotivierten Kriminalität. Quantitativ stechen ebenfalls Verstöße gegen das Versammlungsgesetz mit 588 Fällen (8.43 Prozent) hervor. Dabei handelt es sich um Deliktschwerpunkte, die im historischen Zeitvergleich als typisch für den Phänomenbereich der politisch linksmotivierten Kriminalität bezeichnet werden können.

Tabelle 1 Hauptdeliktsfelder im Bereich Politisch motivierte Kriminalität – links im Berichtsjahr 2022

Politisch linksmotivierte Gewalt als Teilmenge der PMK

Das Gesamtniveau linksmotivierter Gewalttaten ist seit Einführung des KPMD-PMK im Jahr 2001 insgesamt niedrig (Abb. 1). So stellen Melcher und Thieme in ihrer Analyse der Entwicklung politisch motivierter Gewalttaten für die Dekade zwischen 2010 und 2019 fest, dass die durchschnittliche Jahreshäufigkeit bundesweit zwischen einer und 2,7 linksmotivierten Gewalttat(en) pro 100.000 Einwohner liegt. Folglich stellen Gewalttaten nur einen Bruchteil der politisch linksmotivierten Kriminalität dar.[35] Weiterhin lässt sich im beobachteten Zeitraum weder ein klarer Auf- noch Abwärtstrend an Gewaltstraftaten aus dem linken Spektrum feststellen. Ungeachtet jährlicher und an singuläre Ereignisse in einzelnen Bundesländern gekoppelte Schwankungen bleibt die Belastung durch linksmotivierte Gewalttaten auf einem nahezu konstanten Niveau. So ist für die politisch linksmotivierte Gewalt zwischen 2010 und 2019 ein Rückgang von 0,03 Delikten je 100.000 Einwohner pro Jahr zu verzeichnen.[36]

Im aktuellen Berichtsjahr 2022 werden insgesamt 842 Fälle dem Komplex der politisch motivierten Gewalt aus dem linken Spektrum zugeordnet. Gewalttaten machen 2022 damit 12.07 Prozent des linksmotivierten Gesamtstraftatenaufkommens aus. Auch hier gingen die Fälle im Vergleich zu 2021 um 30 Prozent zurück. Mit 47 % Prozent machen Körperverletzungsdelikte (399 Fälle) das Gros an Gewalttaten aus.[37] Auffällig ist: mit 842 Fällen ist die politisch motivierte Gewalt aus dem linken Spektrum 2022 so niedrig wie seit 18 Jahren nicht mehr (Abb. 1). Seit 2004 sind die Fallzahlen hier erstmals niedriger als die der Gewalttaten aus dem rechten Spektrum.

Politisch linksmotivierte Kriminalität im polizeilichen Hellfeld einzelner Bundesländer

Dass die PMK teilweise deutlichen Schwankungen unterliegt, wird in Anbetracht der unterschiedlichen Kriminalitätsbelastung durch politisch linksmotivierte Straftaten in den einzelnen Bundesländern und Jahren deutlich. Dabei weisen viele Bundesländer eine ähnliche, einzelne aber auch eine deutlich andere, vom bundesdeutschen Trend abweichende Entwicklung politisch motivierter Kriminalität auf. Im Folgenden wird auf die Entwicklung der PMK in einzelnen Bundesländern eingegangen. In diesen sind unterschiedliche temporäre Trends und Schwerpunkte zu beobachten, die zum Teil an bedeutsame gesellschaftliche Ereignisse gekoppelt sind (Abb. 2). Hierzu gehören insbesondere regionale Wahl- und Protestereignisse als auch bundesweit relevante Entwicklungen, wie etwa die sogenannte „Flüchtlingskrise“ in den Jahren 2015/16.[38]

Regionale Effekte lassen sich etwa für die Entwicklung politisch linksmotivierte Kriminalität in Berlin feststellen: Ab 2010 zeichnet sich im Kontext der Konflikte um Gentrifizierung ein Aufwärtstrend ab, der mit den Räumungen der besetzten Häuser in der Liebigstraße 14 im Berichtsjahr 2011 und in der Rigaer Straße 94 in den Jahren 2014 und 2016 jeweils stark ansteigt und im Jahr 2020 mit 2152 Fällen das höchste Niveau der letzten zehn Jahre erreicht.[39] Nach Hamburg (etwa 45 Straftaten pro Kopf) weist Berlin mit knapp 33 linksmotivierten Delikten je 100.000 Einwohner zwischen 2010 und 2019 die höchste Pro Kopf Belastung auf.[40] Hamburg hebt sich überdies von den anderen Bundesländern und dem bundesdeutschen Trend ab, indem es hier im Beobachtungszeitraum (2010 bis 2019) zu einer höheren Belastung durch politisch links- als durch rechtsmotivierte Kriminalität kommt.[41] Weiterhin ist die Entwicklung der PMK-links in Hamburg insofern eigentümlich, als dass es im Berichtsjahr 2017 mit 2157 Fällen zu einem drastischen Anstieg der Kriminalitätsbelastung gekommen ist, dessen Ursachen in den Protesten und Ausschreitungen durch linke Gruppierungen anlässlich des G20-Gipfels zu verorten ist. Obschon Hessen (mit dem Saarland und Rheinland-Pfalz) die geringste Pro-Kopf-Belastung mit politisch linksmotivierter Kriminalität aufweist, ähnelt die Entwicklung der PMK-links insofern der in Berlin und Hamburg, als dass auch hier einzelne Protestereignisse sprunghafte Anstiege in einzelnen Berichtsjahren bedingen. Zu verweisen ist dabei insbesondere auf die Proteste rund um die Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank im Frankfurt am Main im Jahr 2013, die einen drastischen Anstieg erfasster politischer Straftaten aus dem linken Spektrum zur Folge hatten.[42]

Abbildung 3 Entwicklung politisch motivierter Kriminalität – links von 2001 bis 2022 in ausgewählten Bundesländern[43]

Neben Hamburg und Berlin weist als dritter Stadtstaat auch Bremen eine Entwicklung der PMK-links auf, die vom Bundestrend abweicht und welche Melcher und Thieme als „idiosynkratisch“ beschreiben.[44] Die Ursache für den Höhenpunkt linksmotivierter Straftaten im Jahr 2011 wird in Aktivitäten linker Gruppierungen gegen den NPD-Wahlkampf zur Bürgerschaftswahl vermutet.[45] Auch die Entwicklung in den Bundesländern Niedersachsen und Sachsen ist beispielhaft für die Eigenheiten der PMK anlässlich verschiedener Wahlereignisse. So liegt der Höchstwert politisch linksmotivierter Straftaten in Niedersachsen im Jahr 2016 mit 1195 erfassten Delikten. Eine Erklärung für diesen Höchstwert wird in den in diesem Jahr durchgeführten Kommunalwahlen Niedersachsens, insbesondere in der erstmaligen Beteiligung der AfD gesucht. Auch in den Berichtsjahren 2018 und 2019 kommt es in Niedersachsen zu einem sprunghaften Anstieg der Fallzahlen aus dem linken Spektrum, dessen Ursache insbesondere in den Europawahlen gesehen wird, in deren Zusammenhang es vermehrt zu strafrechtlich relevanten Aktionen linksradikaler Akteure gegen die AfD gekommen ist.[46] Ebenso für Sachsen werden die Gründe für den Höchstwert mit fast 1.400 politisch linksmotivierten Delikten im Jahr 2019 in den sächsischen Landtagswahlen und Aktionen linker Gruppierungen gegen Partei AfD vermutet.[47] Einen weiteren Höhenpunkt im beobachteten Zeitraum erreichen die sächsischen Fallzahlen zu Beginn der sogenannten Flüchtlingskrise im Jahr 2015. Diese Beobachtung kann auch für die Bundesländer Hamburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen gemacht werden. Bundesländer, in denen erst im Nachgang der „Flüchtlingskrise“ ein Anstieg politisch linksmotivierter Straftaten zu verzeichnen ist, sind Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein.[48]

Insgesamt hat die Belastung durch politisch linksmotivierte Kriminalität über alle Bundesländer hinweg von 2010 bis 2019 im Mittel moderat zugenommen. Ein regionaler Schwerpunkt liegt dabei insbesondere in den Stadtstaaten und daneben in den östlichen Bundesländern. So zeigen Melcher und Thieme in einer Analyse regionaler Muster und Zusammenhänge politisch motivierter Kriminalität, dass nahezu alle östlichen Bundesländer zwischen 2010 und 2019 eine überdurchschnittliche Pro-Kopf-Belastung politisch linksmotivierter Kriminalität aufweisen.[49] In den regionalen Schwerpunkten spiegelt sich zum einen, dass linker Radikalismus primär ein urbanes Phänomen ist. Zum anderen spiegeln sich im polizeilichen Hellfeld der politisch motivierten Kriminalität Interaktionsdynamiken zwischen der Kriminalitätsentwicklung aus dem linken und rechten Spektrum: „Eine Zunahme insbesondere rechtsmotivierter Kriminalität geht häufig mit einer Zunahme linksmotivierter Straftaten einher.“[50] Wobei umgekehrt allerdings kein derartiger Effekt zu erkennen ist.

Kritik an und Verzerrungseffekte in der Erfassung politisch motivierter Kriminalität

Die statistische Erfassung von Kriminalität im Allgemeinen sowie die von politisch motivierter Kriminalität im Besonderem hat eine Vielzahl von Funktionen. Dass die Erfassung die Qualität der Arbeit von Polizei und Justiz belegen und eine empirische Grundlage für kriminalpolitische Entscheidungen der Legislative und Exekutive darstellen soll, weist auf die politische Relevanz des Zahlenmaterials hin.[51] Insbesondere steigende oder sinkende Fallzahlen sind „hochgradig politisch“. Ihrer jährlichen Präsentation durch das Bundesministerium des Innern und das BKA folgen zumeist politische Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit. Aus kriminologischer Perspektive wird hier von einer Instrumentalisierung der Statistik, gar von der Statistik als einem „Munitionslager“ machtpolitischer Auseinandersetzungen gesprochen, mit der nicht selten „in unseriöser Weise Stimmung gemacht und Politik betrieben“[52] werde. Insbesondere die politisch motivierte Kriminalität wird damit zu einem Gegenstand von erheblicher gesellschaftlicher und politischer Bedeutung, und dass, obwohl sie regelmäßig nur 0,5 bis ein Prozent des Gesamtstraftatenaufkommens ausmacht und die Struktur und Validität der polizeilichen Erfassung von politisch motivierter Kriminalität regelmäßiger Kritik unterliegt, die es bei der Betrachtung der Fallzahlen zu reflektieren gilt.

Zunächst stellt die Erfassung und Bewertung von Delinquenz im Allgemeinen einen Zuschreibungsprozess dar.[53] Im besonderen Maße gilt dies für die Feststellung subjektiver Komponenten. So ist die Bewertung als politisch motiviert sowie die Zuordnung zu einem bestimmten Phänomenbereich hochgradig abhängig von Vorstellungen, Einstellungen und Fachwissen der hierfür zuständigen Polizeibeamten. Für die Bewertung eines Sachverhalts als politisch motiviert ist insbesondere die Motivlage der Täter von entscheidender Bedeutung. Dabei sind die Schwierigkeiten bei der Feststellung komplexer Motivlagen bzw. bei der Gewinnung einer Aussage über die „inneren“ Vorgänge bei Tat und Täter – aus Praxis und Forschung bekannt.[54] „Ohne eine explizite Einlassung des Täters zu seiner Motivation wird sich eine Beurteilung nur auf die äußeren Umstände der Tat stützen lassen.“[55] Dies trifft insbesondere auf Sachverhalte zu, in deren Zusammenhang es (noch) keinen Tatverdächtigen gibt. Anlässlich der oft unbekannten oder schwierig zu ermittelnden Motivationen plädiert Michael Kohlstruck daher für einen alternativen Fokus bzw. für den „auf das politische Wirkungselement einer Straftat abzielenden Begriff der „politisch relevanten Kriminalität“.[56]

Kritisiert wird ebenso der in der PMK angewandte Gewaltbegriff, der im Gegensatz zur Polizeilichen Kriminalstatistik deutlich weiter gefasst ist und damit bedeutend mehr Delikte einschließt. Dies trifft insbesondere auf ganze Tatbestandsgruppen im Bereich der Widerstandsdelikte und des Landfriedensbruchs zu. Zur Problematik der weiten Fassung des Gewaltbegriffs führt Lang unter Berufung auf die Rechtsprechung beispielhaft aus, als Gewalt im Rahmen eines Widerstandsdeliktes gelte, „wenn sich von einem Beamten losgerissen oder gegen den Boden bzw. andere Hindernisse gestemmt wird, um das Wegbringen zu verhindern oder heftige Bewegungen ausgeführt werden, um sich aus dem Begriff eines Beamten zu befreien.“[57] Ein ähnliches Beispiel wird für den Landfriedensbruch ausgeführt, „der bereits beim Werfen von Eiern, Feuerwerkskörpern oder Farbbeuteln, dem Zerstechen von Autoreifen oder dem Durchbrechen von Absperrungen“ einschlägig sein könne.[58] Die Aufnahme der genannten Tatbestandsgruppen wird insofern als problematisch kritisiert, als dass der Komplex der politisch motivierten Gewalt um Straftaten erweitert wird, die keinerlei oder nur geringe Verletzungen zur Folge haben.[59] Dabei kommt insbesondere dieser Form der Kriminalität, der politisch motivierten Gewalt, eine besondere Bedeutung im oben beschriebenen (kriminal-)politischen und gesellschaftlichen Diskurs zu, in dessen Rahmen sie regelmäßig Gefahr läuft, instrumentalisiert zu werden.[60] „Wird nämlich etwas Gewalt genannt, was zuvor harmloser etikettiert wurde, lässt sich eine Skandalisierung von Sachverhalten erzielen, mit der nicht nur eine Diskreditierung der Gegner verbunden ist, sondern möglicherweise auch eine Rechtfertigung von Gegengewalt.“[61]

Die Problematik – die Weite des Gewaltbegriffs – betrifft insbesondere die Erfassung von politisch motivierter Kriminalität aus dem linken Spektrum. Widerstands- und Landfriedensbruchdelikte, die vornehmlich im Kontext von Protest- und Demonstrationsgeschehen begangen werden, machen hier regelmäßig das Gros der politisch motivierten Gewalt aus.[62]

Weiter ist bei der Erklärung für das häufige Auftreten von Gewalttaten im Bereich PMK-links auf das Wesen polizeilicher Kriminalstatistiken zu rekurrieren. Bei der PKS und ebenso bei dem KPMD PMK handelt es sich um sogenannte Hellfeldstatistiken; erfasst wird nur, was der Polizei durch Anzeigen oder Kontrollen bekannt wird. Demnach können mit Änderungen im Anzeigeverhalten der Bevölkerung oder in der polizeilichen Kontrollintensität auch Änderungen der Fallzahlen einhergehen, ohne dass die Belastung durch politisch motivierte Kriminalität tatsächlich zu- oder abnimmt. Demnach hängen die registrierten Delikte maßgeblich vom Anzeigeverhalten der Opfer politisch motivierter Taten ab; ein Umstand, der insbesondere bei der Betrachtung der Fallzahlen im Bereich der politisch motivierten Gewalt als Verzerrungseffekt zu reflektieren ist: Rechte Gewalt richtet sich vornehmlich gegen People of Color und migrantisch gelesene Personen, für die aufgrund negativer Polizeierfahrungen und Sprachbarrieren ein gehemmtes Anzeigeverhalten vermutet werden kann; Gewaltdelikte aus dem linken Spektrum werden dagegen zumeist an Polizeibeamten im Demonstrations- und Protestgeschehen begangen und von diesen ganz überwiegend angezeigt.[63]

Weitere Verzerrungseffekte resultieren aus der Tatsache, dass die PMK als Eingangsstatistik geführt wird. Dass politisch motivierte Straftaten bereits mit Bekanntwerden bei der Polizei registriert werden und die Entscheidung zur Bewertung als politisch motiviert zu Beginn der Ermittlung getroffen wird, gilt aufgrund der Prüfung einer möglichen politischen Motivation in zeitlicher Nähe zum Tatgeschehen als Vorteil. Andererseits handelt es sich bei dieser frühen Bewertung einer Straftat als politisch motiviert um eine subjektive Annahme der erfassenden Beamten, also eine Einordnung unabhängig von der späteren, möglicherweise divergierenden Entscheidung im weiteren Ermittlungsverfahren, bei der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts. Nachträgliche Änderungen der Bewertungen anlässlich zusätzlich gewonnener Erkenntnisse vor Gericht sind zwar möglich, werden tatsächlich aber kaum vorgenommen.[64] Es „scheint keinen systematischen und damit verlässlichen Rücklauf aus der Strafrechtspflege zu geben.“[65]

Da es sich bei dem KPMD-PMK um ein auf polizeilichen Bedarf ausgerichtetes Arbeitsmittel handelt und aufgrund der Limitationen, stellt das Zahlenmaterial im Bereich PMK keinesfalls ein strukturtreues Abbild sozialer Wirklichkeit dar. Es kann jedoch aufgrund seines Längsschnittdesigns aussagekräftige Anhaltspunkte zur Entwicklung, regionalen Mustern und Deliktformen bieten.[66] Anlässlich der Einschränkungen wäre es wünschenswert, wenn die von den Beamten genutzten Klassifikations-Kriterien genauer definiert wären. „Die Definitionsmacht könnte gemildert und die Handlungssicherheit gestärkt werden […].“[67] Hier sind andauernde Schulungen und Sensibilisierung für die Erscheinungsformen bestimmter Phänomene sowie dienstalltagstaugliche Verbesserungen der Erfassungsinstrumente gefragt. Aus kriminologischer Perspektive wünschenswert wäre weiterhin die Einführung einer Verlaufsstatistik, die Erkenntnisse und (Neu)Bewertungen durch Instanzen der Strafrechtspflege und ggf. zivilgesellschaftlichen Institutionen konsequent berücksichtigt.

Autorin

Marie Bohla


[1] Vgl. Hans Göppinger u. Michael Bock (Hg.), Kriminologie, München 2008. S. 353f.

[2] Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten, § 2 Abs.6 S.1 BKAG.

[3] Bundeskriminalamt, Polizeiliche Kriminalstatistik, 2022, S. 6. Verfügbar unter: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/themen/sicherheit/pks-2022.pdf?__blob=publicationFile&v=4 [12.09.23].

[4] Vgl. Göppinger u. Bock, Kriminologie, S. 355.

[5] Vgl. Bundesministerium des Innern u. Bundesministerium der Justiz: Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht, Paderborn 2006, S. 135. Verfügbar unter: https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/PeriodischerSicherheitsbericht/psb02Lang.pdf?__blob=publicationFile&v=5 [12.09.2023]

[6] Susanne Feustel: Tendenziell tendenziös. Die staatliche Erfassung politisch motivierter Kriminalität und die Produktion der „Gefahr von links“., in: Forum für kritische Rechtsextremismusforschung (Hg.), Ordnung. Macht. Extremismus, Wiesbaden 2011, S. 143-163, S. 145; Kati Lang, Vorurteilskriminalität. Eine Untersuchung vorurteilsmotivierter Taten im Strafrecht und deren Verfolgung durch Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte, Baden-Baden 2014, S. 56.

[7] Bernhard Falk, Der Stand der Dinge. Anmerkungen zum polizeilichen Lagebild Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit, in: Kriminalistik H. 1/2001, S. 9-20, S. 11.

[8] Ebd., S.11.

[9] Vgl. Lang, Vorurteilskriminalität, S. 59.

[10] Bundeskriminalamt, Definitionssystem Politisch motivierte Kriminalität, Stand: 17.11.2022, S. 4. Verfügbar unter:,https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/sicherheit/definitionssystem-pmk.pdf?__blob=publicationFile&v=2 [13.09.2023].

[11] Vgl. Bundeskriminalamt, Richtlinien für den Kriminalpolizeilichen Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK), Stand: 09.09.2020, S. 4. Verfügbar unter: https://polizei.thueringen.de/fileadmin/tlka/statistik/PMK/02__RiLi_fuer_KPMD-PMK_ab_01.01.2022.pdf [13.09.2023].

[12] Vgl. Bundeskriminalamt, Definitionssystem PMK, S. 4.

[13] Ebd., S. 4.

[14] Bundeskriminalamt, Richtlinien KPMD-PMK, S. 10.

[15] Julia Habermann u. Singelnstein, Tobias: Praxis und Probleme bei der Erfassung politisch rechtsmotivierter Kriminalität durch die Polizei, Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (Hg.), Wissen schafft Demokratie, 4/2018, S.21-31, S. 22. Verfügbar unter: https://www.idz-jena.de/fileadmin/user_upload/PDFS_WsD4/Text_Habermann_Singelnstein.pdf [13.09.2023].

[16] Bundesministerium des Innern u. Bundesministerium der Justiz, Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht, S. 135.

[17] Vgl. Bundesministerium des Innern u. Bundeskriminalamt, Politisch motivierte Kriminalität im Jahr 2022. Bundesweite Fallzahlen, 2023, S. 3. Verfügbar unter: https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/UnsereAufgaben/Deliktsbereiche/PMK/2022PMKFallzahlen.pdf?__blob=publicationFile&v=3 [13.09.2023].

[18] Vgl. BT-Drs. 17/14751, S. 2.

[19] ebd., S. 2.

[20] Vgl. Bundeskriminalamt, Themenfeldkatalog zur Kriminaltaktischen Anfrage in Fällen Politisch motivierter Kriminalität. Stand: 17.11.2022. Verfügbar unter: https://polizei.thueringen.de/fileadmin/tlka/statistik/PMK/06_Themenfeldkatalog_zur_KTA-PMK.pdf [13.09.2023].

[21] Vgl. Bundeskriminalamt, Richtlinien KPMD-PMK, S. 6 u.7.

[22] Vgl. ebd., S. 9.

[23] Vgl. Göppinger u. Bock, Kriminologie, S. 356.; Feustel, Tendenziell tendenziös, S. 145.

[24] „Tateinheit liegt vor […], wenn durch eine Handlung mehrere Strafgesetze verletzt werden oder ein Strafgesetz mehrmals verletzt wird.“ (§ 52 StGB)

[25] Natürliche Handlungseinheit liegt vor, wenn mehrere Handlungen in einem engen sachlichen, zeitlichen und räumlichen Zusammenhang stehen. Vgl. Bundeskriminalamt, Richtlinien KPMD-PMK, S. 14.

[26] In den Richtlinien für den KPMD-PMK heißt es zur Rangordnung der Deliktsqualität, es gelte der Grundsatz „Terrorismus vor Politisch motivierter Kriminalität vor Staatsschutzkriminalität ohne explizite politische Motivation“. Vgl. Bundeskriminalamt, Richtlinien KPMD-PMK, S. 10.

[27] Fälle, die nach dem Stichtag bekannt werden, sind ebenfalls im Rahmen des KPMD-PMK zu melden, finden jedoch in der Jahreslage keine Berücksichtigung.

[28] Bundeskriminalamt, Definitionssystem PMK, S. 9.

[29] Vgl. ebd., S. 9.

[30] Vgl. ebd., S.10.

[31] Vgl. Reinhold Melcher u. Tom Thieme, Rechts- und Linksextremismus in den deutschen Bundesländern. Wahlergebnisse, Personenpotenziale, politisch motivierte Kriminalität und Gewalt, Baden-Baden 2022, S. 162.

[32] Vgl. ebd. S. 138.

[33] Eigene Darstellung. Die Daten wurden den Berichten des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Bundeskriminalamtes der jeweiligen Berichtsjahre entnommen.

[34] Bundeskriminalamt, PMK 2022, S. 5ff.

[35] Vgl. Melcher u. Thieme, Rechts- und Linksextremismus in den deutschen Bundesländern. S. 172.

[36] Vgl. ebd., S. 172.

[37] Vgl. Bundeskriminalamt, PMK 2022, S. 7f.

[38] Vgl. Melcher u. Thieme, Rechts- und Linksextremismus in den deutschen Bundesländern. S. 160.

[39] Vgl. Landeskriminalamt Berlin, Lagedarstellung Politisch motivierte Kriminalität in Berlin 2020, 2021, S. 42 u. 53, verfügbar unter: https://www.berlin.de/polizei/_assets/verschiedenes/jahresbericht_pmk_2021.pdf [13.09.2023].

[40] Vgl. Reinhold Melcher u. Thieme, Rechts- und Linksextremismus in den deutschen Bundesländern, S. 162.

[41] Nicht abgebildet in Abb. 2.

[42] Vgl. Melcher u. Thieme, Rechts- und Linksextremismus in den deutschen Bundesländern. S. 147ff.

[43] Eigene Darstellung. Die Daten wurden den jeweiligen Verfassungsschutzberichten und Lagebildern der Länder zur Politisch motivierten Kriminalität der einzelnen Berichtsjahre entnommen. Für das Bundesland Hamburg wurden bisher keine Fallzahlen für das Berichtsjahr 2022 veröffentlicht.

[44] Vgl. Melcher u. Thieme, Rechts- und Linksextremismus in den deutschen Bundesländern, S. 145.

[45] Vgl. ebd., S. 145.

[46] Vgl. Dirk Baier u. Laura Treskow, Wissenschaftliche Analyse zum Phänomen des Linksextremismus in Niedersachsen, seiner sozialwissenschaftlichen Erfassung sowie seiner generellen und spezifischen Prävention, Hannover, Zürich 2020, S. 5. Verfügbar unter: https://kfn.de/wp-content/uploads/2020/11/Treskow_Baier_(2020)_Wissenschaftliche_Analyse_Praevention_Linksextremismus.pdf [10.09.2023]

[47] Vgl. Melcher u. Thieme, Rechts- und Linksextremismus in den deutschen Bundesländern. S. 156.

[48] Vgl. ebd., S. 137-161. Nicht abgebildet in Abb. 2.

[49] Vgl. ebd., S. 162.

[50] Vgl. ebd., S. 161.

[51] Vgl. Peter Singer, Erfassung der politisch motivierten Kriminalität, In einem neuen Definitionssystem mit mehrdimensionalen Analysemöglichkeiten. In: Kriminalistik 1/2004, Heidelberg, S. 32-37. S. 32.

[52] Werner Lehne 2002 zit. n. Singer, Erfassung politisch motivierter Kriminalität, S. 31.

[53] Vgl. Siegfried Lamnek, Kriminalität, in: Bernhard Schäfers u. Wolfgang Zapf, Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands, Wiesbaden 2001, S. 393-402, S. 393.

[54] Vgl. Singer, Erfassung der politisch motivierten Kriminalität, S. 32-37, S. 35.

[55] Singer, Erfassung der politisch motivierten Kriminalität, S. 32-37. S. 35.

[56] Michael Kohlstruck, Zur aktuellen Debatte um politische Gewalt in der Metropole Berlin, in: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hg.), Expertisen für Demokratie, H. 2/2010, S. 6. Verfügbar unter: https://library.fes.de/pdf-files/do/07342.pdf [12.09.2023].

[57] Lang, Vorurteilskriminalität, S. 70.

[58] Vgl. ebd., S. 70.

[59] Vgl. ebd., S. 71.

[60] Vgl. Singer, Erfassung der politisch motivierten Kriminalität, S. 32-37, S.32.

[61] Peter Imbusch, Der Gewaltbegriff, in: Wilhelm Heitmeyer (Hg.), Internationales Handbuch der Gewaltforschung. Wiesbaden 2002, S. 52.

[62] Vgl. Tom Thieme, Politisch motivierte Kriminalität (PMK) – links. Zahlen, Fakten und Hintergründe, 2021, verfügbar unter: https://www.bpb.de/themen/linksextremismus/dossier-linksextremismus/335701/politisch-motivierte-kriminalitaet-pmk-links/ [12.09.2023].

[63] Vgl. ebd.

[64] Vgl. Habermann u. Singelnstein, Praxis und Probleme bei der Erfassung politisch rechtsmotivierter Kriminalität, S.21-31, S.23.

[65] Kohlstruck, Zur aktuellen Debatte um politische Gewalt in der Metropole Berlin, S. 6.

[66] Vgl. Tom Thieme, Politisch motivierte Kriminalität (PMK) – links.

[67] Habermann u. Singelnstein, Praxis und Probleme bei der Erfassung politisch rechtsmotivierter Kriminalität, S. 29.